Historische Pavillons
1954 hat die Akademie die ersten von Sep Ruf (1908–1982) entworfenen Gebäude bezogen, welche ursprünglich für 150 Studierende ausgerichtet waren. Die transparente Pavillonarchitektur vereint in gelungener Weise alle Ateliers, Werkstätten und zentrale Einrichtungen wie Bibliothek, Mensa und Verwaltung. Nachdem die Ausbildung insbesondere um das Fach Kunsterziehung erweitert wurde, konnte der Raumnot nur mit einem Ausweichquartier in der Laufer Kaiserburg Abhilfe geschaffen werden und so war die Akademie mit ihren bald 300 Studierenden seit 1985 an zwei Orten untergebracht. Mit Blick auf größere Synergien und Effizienz in der Ausbildung wurde die Planungen für einen Neubau neben der Ruf´schen Pavillonarchitektur begonnen und im Frühjahr 2013 fertiggestellt.
Während des Zweiten Weltkriegs war die Akademie von Nürnberg nach Ellingen ausgelagert worden. Im Ellinger Schloss befand sich die Hochschule auch noch 1947 als Sep Ruf zum Professor der Architektur und Stadtplanung an diese berufen wurde. Der etablierte Architekt war bekannt für seine lichtdurchfluteten Gebäude, die zur Sonne ausgerichtet waren und sich harmonisch in die umgebende Landschaft einbetteten. Den im Frühjahr 1950 ausgelobten Architekturwettbewerb für den Neubau der Akademie am östlichen Nürnberger Stadtrand konnte Sep Ruf für sich gewinnen. Der Baubeginn verzögerte sich allerdings um zwei Jahre und so war der erste Bauabschnitt erst im Juni 1954 vollendet. Die Akademie konnte den ersten Teil des Neubaus einweihen und beziehen. 1956 waren die Ruf´schen Pavillons an der Bingstraße endgültig fertiggestellt, sodass die Hochschule nach Nürnberg zurückkehren konnte.
Sep Rufs Entwurf für den Neubau der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg zeigt erstmals die charakteristische Sprache seines späteren Werks: Leichtigkeit der Erscheinung, minimierte Konstruktion, transparente Wände und schlanke Dächer. Der Bau nimmt das Konzept es Deutschen Pavillon zur Weltausstellung 1958 in Brüssel (1956-1958) vorweg, den Ruf zusammen mit Egon Eiermann ausführte, und der ihm internationale Anerkennung brachte.
Rufs spätere Werke mit seinem Partner, dem Konstrukteur Wilhelm Schaupp (1922–2005) umfasste u.a. das Wohn- und Empfangsgebäude des Bundeskanzlers in Bonn (Kanzlerbungalow, 1963-1964), ein ausgereiftes Werk in Proportion und Detail. Sep Ruf wurde zum dominanten Münchener Architekt der 1950er und 1960er Jahre und hinterlässt ein umfangreiches Werk von Wohngebäuden, Bauten für Verwaltung, Bildung, Büro und Repräsentation. 1971 gründete er mit vier Kollegen (Alfred Goller, Helmut Mayer, Hanns Oberberger, Ludwig Thomeier) eine Büropartnerschaft, die nach seinem Tod weitergeführt wurde.
Komplementärer Erweiterungsbau
Das renommierte Architekturbüro Hascher Jehle Architektur hat den Erweiterungsbau der Nürnberger Akademie nach einem begrenzt offenen Realisierungswettbewerb im Frühjahr 2009 entworfen. Mit knapp zweijähriger Bauzeit konnte das Gebäude im Sommersemester 2013 in Betrieb genommen werden. Somit sind erstmals die Studiengänge für freie und angewandte Kunst, Kunstpädagogik sowie die Aufbaustudiengänge an einem Standort vereint.
Die Kunstakademie am Stadtrand Nürnbergs ist umgeben von bewaldeten Landschaftsflächen, in die sich die eingeschossige, denkmalgeschützte Bebauung aus den 1950er Jahren von Sep Ruf harmonisch integriert. In respektvollem Abstand zu den Bestandsgebäuden arrondiert der Erweiterungsbau das Gesamtareal und schafft mit einer ruhigen architektonischen Ausformulierung den neuen Campus.
Entlang der Bingstraße entstand ein langgestreckter, eingeschossiger Baukörper, der mit seinen Öffnungen und dem darüber schwebenden Dach im baukünstlerischen Kontext zu den Bestandsgebäuden steht. Die neuen Ateliers und Seminarräume sind in drei getrennten Pavillons unter einer Dachlandschaft positioniert. Das Zentrum der neuen Anlage bildet der sogenannte Kommunikationspavillon mit einem Raum für großformatiges, interdisziplinäres Arbeiten, einem Bilderlager und Multifunktionsraum mit Bühne und Kino. Das Entrée und gleichzeitig neuer Zugang auf das Gelände ist ein offener Hof. Von hier aus gelangen die Studierenden in die angrenzenden Atelier- und Seminarräume. Die Ateliers der Kunstpädagog:innen sind im Westen des Neubaus beherbergt; sie gruppieren sich um einen Innenhof und sind – in Analogie zu den Ruf´schen Atelierpavillons – über einen offenen, überdachten Gang miteinander verbunden. Im dritten Gebäudeteil, auf der anderen Seite des „Kommunikationspavillons“, sind die Seminarräume ebenfalls um einen Hof herum angeordnet. Die Gänge befinden sich hier jedoch im Gebäude und sind durch großflächige Glasfassaden vom Innenhof getrennt. Die horizontal durchgängige Dachlandschaft wird trotz unterschiedlicher Raumhöhen durch das natürliche Gefälle des Geländes möglich.
Insbesondere die Materialität unterstützt den Werkstattcharakter des Neubaus. Sichtbetonflächen wechseln sich mit Glasflächen und geschlossenen Stahl-Blech-Elementen ab und bilden so die äußere Hülle des Gebäudes. Durch die beweglichen Schiebeelemente aus Streckmetall, die den Glasfassaden als Sonnenschutz vorgelagert sind, verändert sich das Erscheinungsbild der Fassade je nach deren Positionierung. Damit setzt sich der Neubau in seiner Materialität und Oberflächenbeschaffenheit bewusst von den Ruf´schen Bauten ab.
Indem sich der Neubau parallel zu den historischen Pavillons und entlang der Straße erstreckt, entwickelt er einen neuen Blick auf die Architektur Sep Rufs. Sichtachsen und Wege verbinden beide Gebäude, lassen sowohl architektonische Analogien als auch Eigenständigkeiten hervor treten. Gemeinsam bilden sie einen Campus, der der demokratischen und logischen Architekturidee Sep Rufs folgt.
Literatur
zu Sep Ruf (Auswahl):
Irene Meissner, Sep Ruf 1908-1982. Leben und Werk, Berlin: Deutscher Kunstverlag, 2013.
Irene Meissner: „Die Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg. Ein Hauptwerk der deutschen Nachkriegsarchitektur von Sep Ruf“, in: Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg (Hg.), 350. Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, Nürnberg: Verlag für moderne Kunst, 2012.
Winfried Nerdinger, „Sep Ruf - Moderne mit Tradition“, in: Winfried Nerdinger (Hg.), Sep Ruf, Munich: Prestel Verlag, 2008.
zu Hascher Jehle Architektur (Auswahl):
Oliver Hamm (Hg.), Hascher Jehle Architektur, Thoughts and Buildings, München: Prestel Verlag, 2009.