Eine Diskussionsreihe veranstaltet von der AdBK Nürnberg im Sommer- und Wintersemester 2016
Die Philosophin Alenka Zupančič schlug 2015 den Begriff der Konsequenz als Maßstab unseres Denkens vor: Es komme darauf an, alles in seiner Konsequenz zu verbinden, statt es nur seiner Norm nach zu wiederholen. Mit Zupančič lässt sich auch nach der Konsequenz der Kunst fragen, nach ihren Folgen ebenso wie nach ihrer Folgerichtigkeit. Und gerade in dieser Verbindung scheint der Begriff der Konsequenz in der Kunst heute dringlicher denn je, denn er begreift die Kunst nicht nur von ihren Produkten und deren Verwertungen her, sondern auch als Gefüge von Handlungen – von Handlungen mit Konsequenz(en).
Im Sommer- und Wintersemester 2016 veranstaltete die Akademie der Bildenden Künste Nürnberg eine Reihe von drei Podiumsdiskussionen, in denen KünstlerInnen, TheoretikerInnen und WissenschaftlerInnen den Begriff der Konsequenz in Diskussionen miteinander immer weiter aufspannten. Als Abschluss der Reihe hielt schließlich Alenka Zupančič einen auf diese Diskussionen aufbauenden Vortrag zu ihrem Begriff der Konsequenz.
Den Auftakt der Reihe bildete am 8. Juli 2016 das Panel zu „Aufzeichnungen von Konsequenz(en)“, bei dem Michaela Eichwald (Berlin), Monika Rinck (Berlin) und Siegfried Zielinski (Karlsruhe) gemeinsam über sprachliche Formen diskutierten. Die Sprache und ihre schriftlichen Formen geben dem Denken nicht nur seine weithin sichtbarste und verbreitetste Form, sie variieren auch radikal innerhalb ihres jeweiligen Umfeldes. Diese Allgegenwart unserer sprachlichen Formen und ihrer Macht hat sich im Zusammenhang der Digitalisierung unserer Lebensformen in den vergangenen Jahrzehnten noch grundlegend ausgeweitet. Doch welche Konsequenzen liegen in der Wahl dieser veränderlichen Formen? Welche künstlerischen, welche wissenschaftlichen, welche sozialen Effekte und Affekte setzen sich sprachlich in Szene? (Auch) anhand ihrer eigenen (Schreib)Praxis sprachen die DiskutantInnen darüber, in welchen Formaten sie die Möglichkeit einer Aufzeichnung von Konsequenz(en) sehen.
Im zweiten Panel diskutierten am 20. Oktober 2016 Paul Feigelfeld (Lüneburg/Berlin), Rachel O’Reilly (Arnheim/Berlin) und Susanne Winterling (Offenbach/Berlin) über die Konsequenz(en) des Politischen, die deutlich spürbar sind, wo Staaten ihre BürgerInnen oder – heute kaum weniger virulent – ihre Nicht-BürgerInnen regieren. Wie aber können die Konsequenzen einer politischen Form demonstriert werden, die sich jenseits oder sogar im bewussten Abseits solcher offiziellen Politikformen zusammensetzt? „Demonstrationen von Konsequenz(en)“ brachte drei Diskutierende zusammen, die in ihren jeweiligen Arbeitsfeldern Momente politischer Konsequenz im Jenseits des institutionell Politischen erprobt und vorgeschlagen haben: Im Schreiben, im Lehren, der Medientheorie, den bildenden Künsten u.a. testen sie die spezifischen Kapazitäten ihrer Medien für kritische Konsequenz(en).
Das dritte Panel handelte von den "Konsequenz(en) der Geschichte". Am 16. November 2016 reflektierten Eva Kernbauer (Wien), Sven Lütticken (Amsterdam) und Holger Kube Ventura (Tübingen) den doppelten Dualismus von Gegenwart und Geschichte, von Relevanz und Konsequenz. Wie geschichtsvergessen oder wie geschichtsversessen muss oder darf künstlerisches Handeln heute sein, um als konsequent gelten zu dürfen? Der Begriff Geschichte kann hierbei ganz Unterschiedliches meinen, sei es die „gemeinsam geteilte Vergangenheit“, die „individuell unmittelbar erlebte Handlung“ (Y. Dziewior) oder etwa das Modell einer zeitlichen Folgelogik. Folgte der Imperativ des Zeitgenössischen in und seit der Moderne noch dem Bruch mit der Vergangenheit, fragt sich nunmehr, ob künstlerisches Handeln sich heute allein aus der Kunst – aus der Relevanz für die Kunst – rechtfertigen lässt oder ob sich künstlerische Praxis nicht auf ihre Folgehaftigkeit zu verpflichten hat.
„Die Natur ist gegeben. Aber was sie von der Physik unterscheidet, ist, dass die Physik es Wert ist, über sie zu sprechen, und dass Diskurse in ihr Konsequenzen haben, wohingegen jeder weiß, dass kein Diskurs irgendeine Konsequenz in der Natur zeitigt, weswegen wir so dazu neigen, sie zu lieben.“ (J.Lacan) Ausgehend von Lacans Aussage diskutierte Alenka Zupančič zum Abschluss der Veranstaltungsreihe am 23. November 2016 den Begriff der Konsequenz, um das Verhältnis von Natur und Physik auf die Situation der Kunst zu übertragen. Dass große Kunstwerke einen Widerhall finden, der über die Kunst hinausweist, scheint offensichtlich. Aber dieser Widerhall sollte nicht mit Konsequenz verwechselt werden. Könnte es sein, dass nur diejenigen Formen des künstlerischen Denkens, die Konsequenzen in der Kunst haben, signifikanten Widerhall auch außerhalb der Kunst finden?
Konzeption der Diskussionsreihe:
Prof. Dr. Lars Blunck, Professor für Kunstgeschichte, AdBK Nürnberg
Prof. Dr. Kerstin Stakemeier, Professorin für Kunsttheorie und –vermittlung, AdBK Nürnberg