Seit dem Aufkommen der heute zu einem weltumspannenden Netz ausgewachsenen Gegenwartskunst in den 1960er Jahren, wurde auch die Kunsttheorie mehr und mehr zu einem zentralen Deutungsformat künstlerischer Arbeiten. Um diesen Deutungen nicht passiv gegenüberzustehen, wurde es nicht zuletzt für Künstler_innen immer dringlicher, die eigene Arbeit nicht nur praktisch, sondern auch theoretisch begreifen zu können. Mehr noch, die Kunsttheorie bietet Künstler_innen die Möglichkeit, die Deutung ihrer Arbeiten immer auch in die eigene Hand zu nehmen, die eigene Arbeitsweise durch sie zu erweitern, ihrer Praxis einen theoretischen Anteil zuwachsen zu lassen. Die Kunsttheorie ist eine Praxis des Denkens, des Schreibens, des Sprechens und des Streitens in der und über die Kunst. Die Kunstvermittlung ist das praktische Umgehen mit diesen Auseinandersetzungsformen innerhalb wechselnder Öffentlichkeiten – Öffentlichkeiten, die sich auch außerhalb der Kunst befinden.
Die Lehre der Kunsttheorie an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg setzt daher beim historischen und systematischen Verständnis grundlegender Begriffe und Kategorien der modernen Künste an, wie etwa der Autonomie, der Autor_innenschaft, der Kategorie des Kunstwerks und der Erschließung seiner ästhetischen Erfahrung. Gleichzeitig begreift sie sich als theoretische Bewegung entlang der, durch die und mit den Künsten der Gegenwart. Kunsttheorie ist hier eine Art Orientierungsdisziplin, die Studierenden der Freien Künste in Malerei, Bildhauerei, Fotografie, öffentlichem Raum und den Gold- und Silberschmieden ebenso offen steht wie denjenigen der Kunstpädagogik und des Grafik-Designs, und die insbesondere das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis, Produktion und Rezeption, Geschichte und Gegenwart, Lokalität und Globalität thematisiert, und zwar sowohl in Bezug auf einzelne künstlerische Positionen als auch auf die medialen, kulturellen und politischen Bedingungen ihrer Vermittlung im Ausstellungswesen. Kunsttheorie und Kunstvermittlung sind eine gemeinsame gegenwärtige Praxis, deren Maßstäbe historisch veränderlich sind – eine Praxis, deren Maßstäbe wir selbst historisch verändern können.
Ein besonderes Augenmerk liegt in der Lehre der Kunsttheorie und -vermittlung an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg hierbei auf der Praxis des Schreibens: Das Schreiben eigener Texte gehört immer mehr zu den Anforderungen, denen junge Künstler_innen unterschiedlichster Bereiche heute entsprechen müssen. In variierenden Schreibübungen, etwa in Essayform, Erzählungen, theoretischen Abhandlungen, Aphorismen und Kritiken soll eine eigene Positionierung zur allgegenwärtigen Kunsttheorie der (Gegenwarts)Kunst im Medium Text gebildet und erweitert werden.